Jatenipat Ketpradit: Menschen in ihrer Welt

Der thailändische Fotograf Jatenipat Ketpradit, genannt JKboy, versteht sich als Botschafter der Stämme, deren Leben er dokumentiert – und der damit manchmal erst die Voraussetzung dafür schafft, dass sie ihre ursprüngliche Lebensweise auch künftig noch pflegen können. | Michael J. Hußmann Suri (Äthiopien): Das Land ihrer Vorfahren Seit zehn Jahren besucht der thailändische Fotograf Jatenipat Ketpradit, genannt „JKboy“, regelmäßig die Gebiete asiatischer und afrikanischer Stämme, die bis heute abseits der industrialisierten Zivilisation und der großen Städte leben. Mit der Kamera dokumentiert er ihre Lebensweise, die akut bedroht ist und die sie teilweise schon im Begriff sind aufzugeben. Zu diesen Stämmen gehören die Suri oder Surma im Südwesten Äthiopiens und im angrenzenden Sudan. Ihr Siedlungsgebiet ist schwer zugänglich und Fremden gegenüber reagieren die Suri reserviert. Mit Geschenken muss der Gast ihr Vertrauen erwecken. Im Zuge verschiedener Kriege in Ostafrika sind Sturmgewehre wie die AK-47 zu den Suri gekommen. Diese haben die traditionelle Bewaffnung ersetzt und sind neben dem Vieh zum wichtigsten Statussymbol geworden, haben aber auch zu blutigeren Auseinandersetzungen zwischen den Clans geführt. Im tropischen Regenwald auf der indonesischen Insel Siberut lebt der Stamm der Mentawai, bei denen der Schamanismus noch lebendig ist. Die Mentawai jagen mit Giftpfeilen und tragen Konflikte zwischen konkurrierenden Gruppen gewaltsam aus; die Zahl der von ihnen getöteten Feinde tragen die Männer auf die Haut tätowiert. In Indonesien ist das ebenso strafbar wie die Tradition, sich die Zähne spitz zu feilen oder sich auch nur nackt zu zeigen, aber im Regenwald bleiben sie derzeit noch unbehelligt. Die Bergedchin oder Adler-Jäger leben im Altai-Gebirge im Grenzland zwischen Kasachstan und der Mongolei, wo die Beizjagd mit Greifvögeln möglicherweise ihren Ursprung hat – vor rund 5000 Jahren. Als JKboy ihr Dorf erstmals besuchte, gab es dort kaum noch jemanden, der mit Steinadlern Wölfe und Füchse jagte, denn immer mehr der Männer hatte es auf der Suche nach Arbeit in die Städte gezogen, oder sie dienten in der Armee. JKboys erste Reportagen über die Bergedchin lockten dann allerdings Abenteuerreisende an, was dem Dorf eine neue Einnahmequelle und der Beizjagd einen unerwarteten Aufschwung verschaffte. Und während es ursprünglich allein eine Sache der Männer war, lernen mittlerweile auch Mädchen, auf dem Rücken eines Pferdes mit ihrem Adler auf die Jagd zu gehen und die Tradition des Stammes lebendig zu erhalten. Jatenipat Ketpradit, Jahrgang 1984, schafft es immer wieder, Kontakte zu durchaus kriegerischen Stämmen aufzubauen und mit ihnen seine Fotoprojekte umzusetzen. Zwar stößt die Verständigung auf Hindernisse, da selbst seine lokalen Führer nicht immer die Sprachen der einzelnen Stämme sprechen, aber er kann sich zumeist mit Gesten verständlich machen. Mit einem Lächeln, sagt er, kommt man oft schon sehr weit. Schwierigkeiten bereiteten auch die Einsatzbedingungen für Kameras und Fotografen, von Temperaturen weit unter Null Grad Celsius und dem niedrigen Luftdruck im Hochgebirge bis zur hohen Luftfeuchtigkeit im Regenwald, wo die Ausrüstung in Säcken mit Reis trocken gehalten wurde. Die Digitalelektronik zwang zu regelmäßigen Unterbrechungen der Expeditionen, um die Akkus der Geräte dort wieder aufzuladen, wo ein Stromnetz verfügbar war. Jatenipat Ketpradit sieht sich als Botschafter der isoliert lebenden Stämme, die er besucht. Mit seinen Reportagen und Ausstellungen will er ihre Kultur weiter bekannt machen, die uns fremd ist, aber ihre eigene Schönheit hat. Für die Menschen, die er porträtiert, ist dies nicht selten ihre erste Begegnung mit der Fotografie überhaupt, und sich selbst so abgebildet zu sehen, gibt ihnen Selbstvertrauen und eine Vorstellung von ihrer eigenen Bedeutung. Nach den Fotosessions nimmt JKboy oft noch Polaroids auf, die er dann verteilt, und wenn er die Stämme später erneut besucht, bringt er Prints seiner Bilder mit. Mit seinen Arbeiten möchte er auch eine neue Generation von Fotografen zu eigenen Projekten inspirieren, so wie er selbst in der Jugend viele Fotoausstellungen besucht hatte und so zu seinen Reportagen aus verschiedenen Kontinenten angeregt worden war. JKboys Porträts sind oft die ersten Fotos, die die Stammesangehörigen von sich sehen. Jatenipat Ketpradit aka JKboy Seine Reportagen brachten Jatenipat Ketpradit schon etliche Preise ein; unter anderem wurde er als Photographer of the Year bei den One Eyeland Awards 2021 ausgezeichnet. Mit dem Foto eines mit einer Kalaschnikow bewaffneten Suri und seiner Söhne (auf der folgenden Seite) hat er jüngst den Hauptpreis des International Portrait Photographer of the Year 2022 gewonnen. weitere Infos unter: www.facebook.com/jkboyphoto www.instagram.com/jkboyjatenipat Mentawai (Indonesien): Die Hüter des Waldes Mentawai (Indonesien): Ein Krieger mit Tattoos Jatenipat Ketpradit | Im Blickpunkt | Extended mit ihren abgerichteten Steinadlern

Jatenipat Ketpradit: Menschen in ihrer Welt

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